Vorwort
Darf ich bitten?
So ein merkwürdiger Buchtitel, haben Sie sich vielleicht gedacht, als Sie dieses Buch gesehen haben. Warum soll ich meinen Hund „bitten” wenn er zu mir kommen soll? Der Titel kam durch einen Vorschlag nach einer Ideensammlung auf der Facebook-Seite des Verlages zustande. Er hat mir einfach gut gefallen, weil ich mich am meine erste Hündin erinnert fühlte. Ich habe sie beim Rückruf nie gebeten, sondern – nach Ratschlag aller möglichen „Experten” – sehr scharf angesprochen und wenn sie dann endlich kam, ihr eine reingesemmelt – auch so ein heißer Expertentip –, damit sie das nächste Mal schneller kommt. Mir blutete jedes Mal das Herz, aber es war niemand da, der mir gesagt hätte, wie ich es anders machen könnte.
Und? Kam sie schneller? Natürlich nicht. Würden Sie eilig und freudig zu jemanden hinlaufen, der Sie zuvor immer mal wieder gewatscht hat? Für Sie undurchschaubar und definitiv nicht erklärlich? Ganz sicher nicht.
Nachdem mein Weibi, so hieß meine Bernhardinermixhündin, im Alter von neun Jahren wegen Knochenkrebs eingeschläfert werden musste, hätte ich viel darum gegeben, wenn ich sie mehr gebeten und weniger gezwungen hätte. Natürlich wurde sie nicht ihr Leben lang von mir verprügelt und auch das mit dem Zwang hielt sich in engen Grenzen. Mit Mitte 20 sieht mal vieles sehr locker und deshalb hatte sie jede Menge Freiheiten. Eine davon war, dass sie so gut wie überall frei laufen konnte außer an öffentlichen Straßen und Plätzen. Die einzige Baustelle, die wir hatten, war der Rückruf. Rassetypisch war sie sowieso immer in meiner Nähe, deshalb war das auch nicht wirklich ein großes Thema. Wenn sie mal zehn Meter von mir entfernt war, war es viel – und das ohne diese Horrormethoden, die ich weiter hinten beschreibe. Bernhardiner sind so.
Wir hatten ein inniges und liebevolles Verhältnis, nicht zuletzt deshalb, weil mein Mädchen sich unglaublich bemühte, mir zu zeigen, wie es richtig geht. Bis zu ihrem Tod hatten wir ein „Spiel”, also ich dachte, es sei ein Spiel. Sie blieb zurück, deutlich mehr als ihre normale Distanz, und wenn ich mich umdrehte, lachte sie mich an und duckte sich ab – eine lustige, freundliche Spielaufforderung. Dann musste ich mich freuen und lachen und rufen: komm schnell, Weibilein, komm schnell! Sofort kam sie angesaust wie eine Rakete. Und dann gab es eine Riesenparty! Wir hopsten beide rum und waren sehr ausgelassen und albern. Einmal pro Spaziergang war das immer drin.
Heute glaube ich nicht mehr, dass das wirklich als Spiel von ihr gedacht war. Ich vermute, sie wollte mir zeigen, wie es richtig geht: freundlich, lustig, spielerisch, so dass alle Beteiligen Spaß daran haben. Selbst jetzt, fast 40 Jahre später, tut es mir weh, dass ich mein liebes Mädchen nicht richtig verstanden habe. Deshalb widme ich ihr dieses Buch. Vielleicht trägt es ein bisschen dazu bei, dass die Welt für Hunde freundlicher wird.
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aus Kapitel 2 „Der läuft dir nach wie ein junger Hund“
……
Wenn Ihre Knie das mitmachen, gehen Sie in die Hocke, rufen ihn mit einer fröhlichen Stimme und während er kommt, freuen Sie sich ein Loch in den Bauch. Das müsste ich eigentlich gar nicht extra schreiben, denn es gibt wenige Erlebnisse mit Hunden, die mehr Freude bereiten, als der Anblick eines heran purzelnden Welpen. Manch einer kommt wirklich ins Stolpern – nur weil er es sooo eilig hat, zu Ihnen zu kommen. Wenn das kein Grund zur Freude ist!
Wenn Ihr Knie gegen Hinhocken sind oder Sie das für überflüssig halten, dann bleiben Sie einfach stehen und bewegen sich ein bisschen. So wirken Sie locker und entspannt. Alles andere bleibt gleich. Rein theoretisch könnte ich jetzt aufhören zu schreiben, denn wenn alle Welpenbesitzer sich daran halten, dann könnte das doch klappen, oder? Ganz so einfach ist es leider nicht, aber es ist die wichtigste Grundlage für den Aufbau eines zuverlässigen Signals zum Abrufen.
Es ist nämlich ein gewaltiger Unterschied, ob Sie beispielsweise einen Deutschen Schäferhund, einen Beagle oder einen Herdenschutzhund bei sich aufgenommen haben. Der Schäferhund, wahlweise Golden Retriever, Labrador oder Dobermann, ist ganz wild darauf, alles richtig zu machen und zwar genau so, wie Sie es gerne möchten. Darauf wurden diese Hunde seit hunderten von Generationen gezüchtet. Hütehunde, Treibhunde und Jagdhunde, die aktiv mit dem Menschen zusammen arbeiten, achten sehr
genau darauf, was sie wann wie machen sollen. Nur so sind Mensch und Hund bei ihren gemeinsamen Aktivitäten, wie Schafe hüten, Rinder treiben oder angeschossenes Wild gemeinsam suchen, erfolgreich.
Es gibt Rassen, die genetisch bedingt in bestimmten Situationen nicht auf Ihre Menschen hören, da das ursprünglich weder erwünscht noch notwendig war. Dazu gehören viele Jagdhunderassen, nämlich alle, die selbständig arbeiten wie z.B. Dackel, Beagle, Windhunde oder Terrier. Wenn ein Beagle erstmal Witterung aufgenommen hat, soll er sich davon nicht mehr abbringen lassen, weder von Ihnen noch von sonst etwas. Das würde den Erfolg der Jagd gefährden. Und auch wenn Sie kein Jäger sind und auch nicht vorhaben, einer zu werden, gilt für Ihren Hund trotzdem, dass er nur macht, was seit Jahrhunderten sehr erfolgreich gezüchtet wurde. Bei Windhunden ist es noch einen Zacken schärfer. Diese Hunde wurden aus reinem Luxus gehalten und haben selbst in Ländern, in denen Hunde überhaupt kein oder nur geringes Ansehen genießen, wie Arabien einen hohen Stellwert. Sie waren die Hunde der Fürsten und Könige und die müssen bekanntlich auf niemanden hören. Die Jagd sah so aus: Zu Pferd ritten Herr und Hund durch die Wüste oder Steppe und sowie der Hund eine Antilope oder anderes Wild sah, sprang er von sich aus vom Pferd und versuchte, das Wild zu bekommen. Da es in der Regel mehrere Hunde waren, waren sie auch sehr erfolgreich. Ihre Herren fanden es einfach vergnüglich, sich die Jagd anzusehen und die Qualität ihrer Hunde zu bewundern. Und jetzt kommen Sie und denken, dass Ihr sündteurer Saluki Ihnen zuliebe gefälligst
die Hasen hinterm Haus in Ruhe lassen und sich davon abrufen lassen soll.
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aus Kapitel 6 „Aufbau von Rückrufsignalen“
Mitkommen und Herankommen
Um ein sauberes Rückrufsignal aufzubauen, müssen wir zwei Situationen unterscheiden: Soll Ihr Hund mitkommen oder herankommen? Was ist der Unterschied? Stellen Sie sich vor, Ihr Bello läuft frei, weil er sehr gut erzogen ist, und Sie gehen mit ihm eine Straße entlang, an der einige Gehöfte stehen. Bei einem oder zwei der Grundstücke steht das Tor offen. Vermutlich möchte Bello gerne mal nachsehen, was es Interessantes zu entdecken gibt. Die meisten Menschen reagieren zuerst gar nicht, weil sie nicht sehen, was ihr Hund vorhat. Sowie er aber durch das offene Tor läuft, gibt es verschiedene Variationen, die nicht sehr wirkungsvoll sind:
1.Sie rufen Ihren Hund zu sich, der in der Regel nicht kommt.
2. Sie rufen laut: „Nein, da gehst du jetzt nicht rein!“, oder „Komm raus da!“, aber Bello läuft immer weiter und reagiert nicht.
3. Sie laufen hinter ihm her, um ihn zu fangen und er rennt immer schneller in das Grundstück hinein.
Dazu muss man wissen, dass es für Hunde eine Selbstverständlichkeit ist, in Gruppen unterwegs zu sein, dabei über Blickkontakt und Körpersprache zu kommunizieren und auch zusammen zu bleiben. Zusammenbleiben bedeutet, dass man auch in einiger Entfernung mitkommt, weil der Partner einem klar und deutlich anzeigt, welche Richtung wir einschlagen oder man selber mal einen Vorschlag macht, der angenommen wird. Falls einer auf die Idee kommt, sich von der Gruppe zu entfernen, regt das niemanden auf. Die einzigen, die von ihrer Mutter mit großem Eifer bewacht und bei der Gruppe gehalten werden, sind Welpen.
Wenn wir die drei Variationen untersuchen, warum sie nicht das gewünschte Ergebnis zeigen, stellen wir fest, dass unser Bello sie gar nicht verstehen kann.
1. Sie wollen gar nicht, dass Ihr Hund zu Ihnen kommt, Sie möchten nur, dass er nicht in das fremde Grundstück läuft. Bello merkt, dass es Ihnen gar nicht ernst ist und kommt nicht. Ganz nebenbei machen Sie auch noch Ihr Abrufsignal wirkungslos, da Sie es wahllos verwenden und nicht ernst meinen.
2. Sie haben viel zu spät reagiert, bzw. ihm gar nicht vorgegeben, was er tun soll. Sie korrigieren ihn erst, nachdem er – Ihrer Meinung nach – einen Fehler gemacht hat. Er versteht gar nicht, was Sie wollen und reagiert deshalb nicht. Zudem geben Sie ihm eine widersinnige Anweisung „Nein, du gehst da nicht rein“, genau das tut er aber gerade.
3. Wenn Sie ihm nachlaufen, versteht er nur, dass Sie auch an der Erkundung des fremden Grundstücks interessiert sind und ist verwirrt, wenn Sie ihn schimpfen. Stellen Sie sich vor, Sie würden immer Anweisungen bekommen, die widersinnig oder unverständlich sind: Irgendwann hören Sie auf, diese Anweisungen zu befolgen.
Deshalb ist es sinnvoll, zwischen „Mitkommen“ und „Herankommen“ zu unterscheiden und einem Hund das auch genau so beizubringen. „Mitkommen“ bedeutet: Gehe mit mir in die von mir vorgegebene Richtung, egal wie weit du von mir entfernt bist. „Herankommen“ bedeutet: komm zu mir her und bleibe einen Moment bei mir. Das hört sich im erstmal kompliziert an, ist es aber nicht.
…. weiter geht’s im Buch auf Seite 18