Supernasen

Supernasen - Leben mit jagdbegeisterten Hunden

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Leben mit jagdbegeisterten Hunden

aus: Jagen – nur ein Hundevergnügen?

Wenn Menschen über das Jagdverhalten ihrer Hunde reden, dann hört sich das meistens nicht sehr nett an. Vorwürfe über Vorwürfe hageln auf den Hund herab. Denn er ist überhaupt nicht kooperativ, blendet unverschämterweise die Anwesenheit seines Menschen komplett aus, interessiert sich nicht im geringsten für den Mittelpunkt seiner Hundewelt….. Das Einzige, was den Vierbeiner dann noch interessiert, ist das Mauseloch, der Maulwurfshaufen, die Rehe, wahlweise Hasen auf der Wiese und was es an tierischen Versuchungen in der Welt sonst noch so gibt, und das geht überhaupt nicht. Denn das ist der klare Beweis dafür, dass er keine oder eine ganz schlechte Bindung an seinen Menschen hat.

Nachdem bei uns zwei Hunde leben, die sich ganz außerordentlich für das tierische Leben im Wald interessieren, der unser Haus umgibt, weiß ich sehr wohl, dass es nicht immer ganz einfach ist, mit solchen Hunden entspannt spazieren zu gehen. Aber ist das wirklich die Schuld der Hunde? Und hat das wirklich mit Desinteresse an uns oder einer schlechten Bindung zu tun?

Sehen wir uns doch mal an, welchen Freizeitbeschäftigungen Menschen frönen. Treiben Sie gerne Sport? Fußball oder Tennis? Oder segeln Sie gerne und nehmen auch mal an einer Regatta teil, egal ob aktiv oder als Zuschauer? Sammeln Sie irgendwas? Überraschungseier, Kaffeekannen oder Bierdeckel? Vielleicht lieben Sie auch Brettspiele wie Mensch-ärgere-dich-nicht oder Monopoly? Wenn Sie irgendeine der genannten Tätigkeiten tatsächlich gerne ausüben, geben Sie mir dann Recht, wenn ich sage, dass Sie gerne jagen? Denn was sind Fußball oder Tennis anderes als Jagdspiele? Auch eine Segelregatta oder ein anderer Wettbewerb – könnte man da nicht sagen, hier geht’s um die Jagd nach Erfolgen und Pokalen? Oder Sammlerleidenschaft. Jagen Sammler nicht von einem Flohmarkt, einem Trödlerladen, einer Auktion zur anderen immer auf der Suche nach dem neuesten Objekt der Begierde? Bei den Brettspielen wollen Sie auch vor allen anderen die höchste Punktzahl haben – jagen Sie da etwa nach Punkten?

Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, wie sich manche Auto- oder Radfahrer im Straßenverkehr benehmen? Ich könnte Ihnen Geschichten aus meiner Zeit im Außendienst erzählen, wie ich mir Rennen mit anderen Autofahrern auf der Autobahn geliefert habe, da würden Ihnen die Haare zu Berge stehen. War das was anderes als eine Jagd?

Wenn mein Mann begeistert verfolgt, ob Bayern München auch dieses Jahr wieder Deutscher Meister wird, heißt das dann, dass er mich nicht liebt? Oder dass seine Bindung an mich sehr schlecht ist? Finden Sie das lustig? Ich auch. Denn ich weiß ganz genau, dass das nicht stimmt. Genauso wenig wie bei Hunden.

Und was ist mit den „richtigen“ Jägern, mit denen, die tatsächlich mit Gewehr und allerhand mehr oder weniger sinnvoller Ausrüstung die Wälder und Wiesen unsicher machen? Die wirklich und wahrhaftig Tiere erschießen, entweder um sie zu essen oder als „Ungeziefer“ zu beseitigen oder um mit ihnen als Trophäe zu protzen. Diese Jäger und Jägerinnen geben richtig viel Geld aus, damit sie das dürfen und sie werden von vielen Menschen sehr bewundert und beneidet. Ihre Tätigkeit wird nach wie vor von den meisten Menschen als nützlich und notwendig erachtet.

Aber wenn Ihr Hund ein Mäuschen ausgräbt, dann begeht er ein Verbrechen?

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aus: Was bedeutet das: mein Hund jagt?

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Wildcaniden hetzen erst los, wenn sie sich sicher sind, dass dieser Jagdversuch nicht beim Versuch bleibt, sondern vom Erfolg gekrönt wird. Als Jungtiere werden ihre Misserfolge – vielleicht – von ihren Eltern und anderen Rudelmitglieder abgefangen, aber Sie können davon überzeugt sein, dass junge Wildcaniden alles daransetzen, gute Jäger zu werden. Sie lernen rechtzeitig, wann es sinnlos ist, los zu sprinten und wann es Erfolg verspricht. Und genau das lernen die meisten unserer Hunde nicht. Das ist mit der Grund, warum man Videos von Wölfen im Internet findet, die ganz geruhsam an Rehen vorbeilaufen, durch weidende Kuhherden schlendern oder in angemessener Entfernung – wegen des Herdenschutzhundes – Schafherden passieren. Hunde leinen wir in der Regel in solchen Fällen an, weil sie nicht oder nicht ausreichend gelernt haben, damit umzugehen und die Situation richtig einzuschätzen.

Dazu kommt, dass wir mit diesen absurden und überflüssigen Wurfspielen Balljunkies erzeugen. Das Wort „Junkie“ nehmen Sie bitte wörtlich, denn die Hunde werden süchtig nach dem Adrenalinkick. Auch der ganze Körper wird geschädigt. Hunde sind Zehengänger, wenn sie losrennen oder eine Vollbremsung machen, geht die Hauptlast auf die Zehen. Sehen Sie sich bitte eine Darstellung eines Hundeskeletts an und überlegen Sie, was passiert, wenn ein Hund aus vollem Lauf abbremst, um einen Ball zu erwischen oder einen irren Sprung in die Luft mit anschließender Landung macht, um ein Frisbee zu fangen. Das geht immer durch den ganzen Körper und wenn Bello 4 bis 5 Jahre alt ist, wundern wir uns, warum er dauernd humpelt und Schmerzen hat. Dann rennen wir zum Tierarzt und zum Physiotherapeuten, aber die können dann auch nichts mehr ändern.

Jagen bedeutet also für Wildcaniden etwas komplett anderes als für unsere Couchpotatoes:
1. Wildcaniden lernen von Anfang an mit Misserfolgen umzugehen – wir verschaffen unseren Hunden bei Wurfspielen ein 100%iges Erfolgserlebnis.
2. Bei Wildcaniden endet der Jagdausflug entweder damit, dass man sich etwas anderes suchen muss oder dass man sich satt essen kann. Das können sie sehr schnell einschätzen und vermeiden damit unnötige Vergeudung ihrer Kräfte. Bei Hunden wird in der Regel das Spiel solange fortgesetzt, bis der Hund vollkommen am Ende ist oder bis der Mensch nicht mehr kann oder will, der Hund dagegen möchte überhaupt nicht aufhören. Unterbrechung solcher „Spiele“ durch den Hund sind in der Regel unerwünscht, er lernt es also nicht.
3. Nach einer erfolgreichen Jagd und dem ausgiebigen Mahl schlafen Wildcaniden ca. 6-8 Stunden. Das ist ziemlich genau die Zeit, die der Körper braucht, um die Mahlzeit zu verdauen und die für die Jagd notwendigen Stresshormone abzubauen. Ob nach einem wilden „Frisbeetraining“ für Hunde tatsächlich eine Pause möglich ist, kann bezweifelt werden, da viele dieser Hunde gar nicht mehr wissen, wie sie zu Ruhe kommen können. Darum quillt das Internet ja auch über mit Fragen: Wie bringe ich meinen Hund zur Ruhe?
4. Außer bei Kleintieren wie Mäusen jagen Wildcaniden gerne und erfolgreich im Rudel. Hunde brauchen für ihre „Jagdspiele“ nicht mal mehr einen Partner, denn es gibt jede Menge Apparate, die das Werfen übernehmen. Bei ihnen fehlt damit auch die soziale Komponente der gemeinsamen Jagd.

Für Wildcaniden bedeutet Jagen somit generell:
– eine lustvolle Tätigkeit, die mit einem guten Essen endet
– mit Mitgliedern der Familie gemeinsam eine wichtige Sache für alle zu erledigen
– die Fähigkeit zu erlernen, mit Misserfolgen fertig zu werden
– viele Varianten der Jagd auszuprobieren
– die eigenen Fähigkeiten und Talente nutzbringend für alle einzusetzen und damit Anerkennung zu bekommen
– das Wissen, dass sie sich und ihre Kinder im Notfall auch alleine durchbringen
– Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Für Hunde bedeutet Jagen in den meisten Fällen:
– das permanente Verbot, etwas zu tun, was eigentlich lebensnotwendig ist
– Ersatzbeschäftigungen, die nur ansatzweise den gleichen Erfolg bieten wie die richtige Jagd
– Ersatzbeschäftigungen, die krank machen
– die Unfähigkeit mit Misserfolgen fertig zu werden
– nur wenige Varianten der Jagd zu kennen, nämlich die, die der Mensch zulässt
– alles nur nach Aufforderung und Anweisung auszuführen
– keine Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln…..

Ganz schön frustrierend, finden Sie nicht?

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aus: Mehr oder weniger gute Ideen, um Hunde vom Jagen abzuhalten

Ausbremsen – Hier gehst du nicht hinein!

Eine lustige Idee – besonders für Zuschauer – dürfte der Vorschlag sein, breitbeinig vor das Gebüsch oder den Waldrand, hinter dem die Wildtiere lauern, zu springen und dem Hund, der vorhat sich abzuseilen, den Weg zu versperren. Lustig deshalb, weil man bei solchen Aktionen ganz schön schnell sein und über nahezu akrobatische Fähigkeiten verfügen sollte.

Stellen Sie es sich einfach bildlich vor: Ihre Susi hat gerochen, dass ca. 100 Meter hinter dem Busch ein Reh steht. Sie wird schneller und ist mindestens 20-30 Meter vor Ihnen. Irgendwann merken Sie, dass im wahrsten Sinne des Wortes was im Busch ist. In rasender Eile sausen Sie zu dem besagten Busch – falls Sie erkannt haben, welcher das ist – , schmeißen sich zwischen Susi und den Busch und stehen da wie ein Panzer: Da gehst du nicht rein! Ich vermute mal, Susi wird Sie und Ihre Bemühungen gar nicht bemerken, da sie schon längst hinter dem Reh her und über alle Berge ist. Eventuelle Passanten dagegen könnten richtig viel Spaß mit Ihnen und Ihrer skurrilen Vorstellung haben.

An der Leine wird das eine ganz merkwürdige Sache, denn da wird’s ziemlich kompliziert. Zum einen müssen Sie Susi daran hindern, ins Gebüsch zu schlüpfen ehe Sie dort sind. Also müssen Sie die Leine kurz nehmen und Susi irgendwie hinter sich bringen. Dann hüpfen Sie schnell vor und machen wieder den Panzer. Wenn Sie Pech haben, dann gibt’s ordentliche Verwicklungen und Sie landen auf der Nase. Keine schöne Vorstellung – außer für das interessierte Publikum.

Und bevor Sie fragen: nein, das habe ich nicht ausgetestet. Eine Praktikantin hat mir das mal in einem Buch gezeigt, das sie total toll fand, weil so schöne Fotos drin waren. Und das entsprechende Foto war richtig gut. Da stand die Hundetrainerin mit ausgebreiteten Armen vor dem Gebüsch und ihre Hunde standen sichtlich beeindruckt vor ihr auf dem Weg. Die Qualität des Fotos macht es allerdings nicht wahrscheinlicher, dass Sie eine so offensichtlich gestellte Situation vernünftig einüben und sicher ausführen können. Dass Sie auf der Nase landen und Susi trotzdem hinter dem Reh her düst, werden Sie so leider nicht verhindern.

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Training am Wildgatter

Eines der Hauptprobleme bei Wildsichtungen ist, dass die meisten Tiere fliehen, sowie sie uns und unsere Hunde bemerken. Das spornt unsere Pelznasen natürlich enorm an, da sie, wie wir weiter vorne gelesen haben, nicht gelernt haben, mit solchen Situationen klar zu kommen und sie richtig einzuschätzen. Ich empfehle deshalb allen meinen Kunden, das mit ihren Hunden zu üben, so lange sie noch jung sind und der Drang, hinterher zu rennen, noch nicht so ausgeprägt ist. Auch orientieren sich Welpen zu 100% an uns und machen nach, was wir vormachen. Wenn wir also stehenbleiben, den Hund für ruhiges Hinsehen loben und großzügig mit Keksen umgehen, und dann auch noch ruhig umdrehen und weggehen, wieder mit viel Lob und Guttis, dann haben Sie gute Karten, dass Ihr Hund versteht, was er bei flüchtendem Wild tun soll. Da es aber selbst in der wildreichen Uckermark nicht immer einfach ist, Wild zu treffen, und zwar so, dass man mit seinem Hund auch noch üben kann, bieten sich als Ersatz Wildgatter an.

Der große Vorteil von Wildgattern ist, dass die Damhirsche, die dort meistens anzutreffen sind, sich sehr ruhig verhalten. Sie wissen, dass ihnen von den Hunden und Menschen, die da stehen und sie anschauen, keine Gefahr droht. Ob ihr Geruch identisch ist mit dem von freilebenden Damhirschen, kann ich nicht beurteilen. Aber ich gehe davon aus, dass der Hund zunächst mal lernt, mit diesem Geruch ein ruhiges, evtl. eher langweiliges „Ich-schau-mir-das-in-Ruhe-an“-Gefühl zu verknüpfen. Wenn sich die Hirsche bewegen, evtl. sogar mal ein paar schnellere Schritte machen, kann man auch das mit „Wir gehen lieber weg“ verbinden, bzw. mit großem Lob und vielen Leckereien bestätigen, dass ruhiges Hinsehen und entspanntes Weggehen einfach nur großartig sind. Sehr viel mehr ist aber nicht drin. Wenn sich nie die Gelegenheit ergibt, etwas Vergleichbares in freier Natur zu üben, dann können wir uns nicht sicher sein, ob es im Ernstfall tatsächlich klappt, dass unsere Pelznase bei uns bleibt und nicht hinterher düst.

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